
Hinhören.Handeln. Frieden und Menschenrechte
Rokeya ist entsetzt. Ihr Ehemann beginnt, die Heirat ihrer Tochter einzufädeln. Tanzina ist zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. Viel zu jung, findet die Mutter, die sich an ihre eigene traumatische Zeit als Teenager-Braut erinnert. Werden Rokeya und Taniza gehört, wenn sie sich gegen die Pläne wehren?
Frauen in Bangladesch haben in der Regel wenig Wahlmöglichkeiten. Über ihr Leben entscheiden zuerst die eigenen Eltern, danach der Ehemann und die Schwiegereltern. Das beinhaltet auch die Partnerwahl oder den Zeitpunkt der Heirat. Das Menschenrecht auf Ehefreiheit oder sogar überhaupt auf Freiheit wird ihnen verwehrt – eine Form von kultureller Gewalt. Die Begründung: eine frühe Hochzeit schützt vor einer unehelichen Schwangerschaft, die ein gewaltiges soziales Stigma bedeuten würde.
Daran ändern auch gesetzliche Verbote von Heiraten unter 18 Jahren nicht viel. Die logische Folge sind Hochzeiten kurz nach Einsetzen der Periode – oder sogar noch vorher, wie Rokeya aus eigener schmerzlicher Erfahrung weiss. «Ich wurde im Alter von 13 Jahren verheiratet», erzählt uns die Mutter. «Ein knappes Jahr später setzte meine Menstruation ein. Das war einfach schrecklich für mich, ein richtiger Schock.» Rokeya hatte keine vertraute Bezugsperson im Haushalt der Schwiegereltern. Als junges Mädchen war sie entwurzelt worden und musste mit Fremden zusammenleben. Sie erinnert sich: «Ich fürchtete mich und verstand meine neue Familie nicht.»
Von dieser Entwurzelung berichten viele Frauen. Die 20-jährige Taslima (im Bild oben) erzählt, wie sie sich vor der neuen Situation gefürchtet hatte, vor dem Zusammenleben mit einer fremden Familie in einer fremden Umgebung. «Ich verlor meine Kindheit», sagt sie. Die Fremdbestimmung schliesst die Familienplanung oder die medizinische Versorgung vor und während der Geburt ein. Nur rund ein Drittel der Frauen hatten bei einer Befragung der Partnerorganisation Sathi im Jahr 2016 angegeben, für ihre letzte Geburt in einer Klinik oder einem Geburtshaus gewesen zu sein. Das führt zu einer immer noch hohen Sterblichkeit1 von Mutter und Kind.
Taslimas erstes Baby starb bei der Geburt ohne professionelle Unterstützung. «Ich hatte keine Ahnung von Schwangerschaftskontrollen oder Geburtsbegleitung durch traditionelle Hebammen», erinnert sie sich. «Im Programm von Sathi lernte ich diese Dinge kennen, zusammen mit Frauen- und Kinderrechten, Konfliktlösung und Einkommensförderung. In meiner zweiten Schwangerschaft nahm ich die Möglichkeiten in Anspruch.»
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