Interview mit Reuben Byomuhangi und George Bagamuhunda

Unsere Partnerorganisation KDWSP fördert im gebirgigen Südwesten Ugandas seit rund 25 Jahren den Zugang zu Trinkwasser. Sie gilt in Uganda als Vorbildorganisation und wird auch von Regierungsvertretern besucht. Wie schafft KDWSP das? Wir befragten Reuben Byomuhangi, den Direktor von KDWSP, und George Bagamuhunda, den Bischof der Diözese Kigezi, über ihren Arbeitsalltag und fragten sie zu Themen, die sie momentan bewegen.

Neben der Freude über ihre Arbeit und die damit verbundenen positiven Veränderungen gibt das starke Bevölkerungswachstum, die hohe Arbeitslosigkeit und der Mangel an Nahrung aber auch Anlass zur Sorge. Im Interview erzählten sie mehr darüber.

Merita Göldi: Worüber freut ihr euch, was ermutigt euch in eurer Arbeit?

Rev. Reuben Byomuhangi: Mein Dienst für die Gesellschaft gibt mir Befriedigung, ich freue mich, wenn er geschätzt wird. Es ermutigt mich, zu sehen, wie ein Mensch sich verändert und ein gesünderes, besseres Leben zu führen beginnt. Ich freue mich zu sehen, wie Kinder aus den Dörfern regelmässiger zur Schule gehen, weil sie nicht mehr weit weg Wasser für die Familie holen müssen.

Rt. Rev. George Bagamuhunda: Mich ermutigt es sehr, dass uns Menschen aus Ländern wie der Schweiz finanziell und mit Gebet unterstützen. In Uganda ist es üblich, sich innerhalb der Familie zu helfen. Dass man jedoch von Menschen Hilfe bekommt, die einem nicht einmal kennen, ist sehr beeindruckend.

Merita Göldi: Was sind eure Herausforderungen, worüber sorgt ihr euch in eurer Arbeit?

George Bagamuhunda: Eine Herausforderung ist die Veränderung von Gesellschaft, Verhalten der Menschen, Umwelt, Klima, etc. Der Graben zwischen Arm und Reich scheint immer grösser zu werden. Ich frage mich, wie wir als Kirche mit diesen Veränderungen umgehen, wie wir die christlichen Traditionen und Werte mit der heutigen Gesellschaft zusammenbringen können, wie die Kirche Salz und Licht sein kann.

Reuben Byomuhangi: Es macht mir Mühe, wenn Menschen, mit denen ich arbeite, nicht wirklich ihre Haltung, ihre Gesinnung verändern wollen. Dies wäre doch die Grundlage für die Veränderung des Verhaltens. Menschen benützen auch ihre Familiengeschichte als Ausrede, nichts verändern zu können. Das finde ich zu einfach. Ich sorge mich auch darum, dass es schwieriger geworden ist, Geld für unsere Projekte zu finden. Auch Organisationen, die uns seit Langem unterstützten, stehen vor dieser Herausforderung. Um unsere Erfahrungen weitergeben zu können, bräuchten wir stabile Geldquellen.

Merita Göldi: Was sagt ihr zum oft gehörten Vorwurf, dass Entwicklungsprojekte nicht viel nützen, dass sie nicht nachhaltig sind und keine wirklichen Veränderungen herbeiführen? Wie sind eure Erfahrungen mit der Thematik der Nachhaltigkeit?

George Bagamuhunda: Das Problem der mangelnden Nachhaltigkeit gibt es tatsächlich – zum Beispiel wenn Projekte nicht an die Situation vor Ort angepasst werden. Ich mache ein Beispiel: Um eine Wasserversorgung einzurichten, könnte im Lake Bunyonyi, einem grossen See in unserer Gegend, eine Wasserpumpe installiert und damit Wasser in die Dörfer gepumpt werden. Diese Pumpe müsste mit Diesel angetrieben werden. Was geschähe aber, wenn kein Geld vorhanden ist, um Diesel zu kaufen? Oder wenn kein Diesel mehr geliefert wird? Und wo findet man Ersatzteile, wenn die Pumpe defekt ist? Wo den Mechaniker, der diese Art von Pumpen kennt und reparieren kann? Ein solches Projekt wäre tatsächlich in Gefahr, nach einiger Zeit nicht mehr zu funktionieren. Bei KDWSP machen wir es wie folgt: Eine Familie oder ein Dorf kommt auf uns zu und bittet uns um Unterstützung. Von Anfang an sind also die Empfänger der Hilfe aktiv, sie ergreifen die Initiative, werden in die Planung einbezogen, übernehmen Verantwortung und tragen nach ihren Möglichkeiten einen Teil der Finanzen bei. Neben der technischen Unterstützung werden sie angeleitet, das Projekt selbständig zu führen, allfällige Konflikte zu lösen und den Unterhalt der Wasserversorgung zu organisieren. Zudem achten wir darauf, dass alles Material und Wissen für den Bau und den späteren Unterhalt lokal vorhanden und beschaffbar ist und so keine Abhängigkeiten – beispielsweise von ausländischen Ersatzteilen – entstehen. Diese Arbeitsweise hat sich sehr bewährt.

Merita Göldi: Wenn ein Dorf, eine Familie nun Zugang zu sauberem Wasser hat, stehen die Leute noch anderen Herausforderungen gegenüber?

George Bagamuhunda: Ein grosses Problem ist die Arbeitslosigkeit. Es hat zu wenig Arbeit für die wachsende Bevölkerung. Besonders für die Jugendlichen ist das eine grosse Sorge. Die Arbeitslosigkeit führt zu weiteren Problemen wie Alkoholmissbrauch und andere Süchte, häusliche Gewalt und fehlende Mittel für Schulgeld. Von 100 Kindern, die eingeschult werden, sind in der 7. Klasse nur noch knapp die Hälfte in der Schule. Eine weitere Herausforderung ist Mangel- und Unterernährung, was zu gesundheitlichen Problemen führt, die vor allem für Kleinkinder verheerend sein können. Daneben hat die prekäre Ernährungslage auch Auswirkungen auf das Familienbudget: Kann eine Familie noch nicht mal genug Nahrung für sich selber produzieren, bleibt auch nichts für den Verkauf übrig. Dieses Einkommen wäre aber notwendig für Schulgeld, Medizin, Investitionen, Kauf von Saatgut … Ein Hauptgrund für das Nahrungsproblem ist das Bevölkerungswachstum; pro Familie gibt es immer weniger Land und somit weniger Anbaufläche. Trotzdem haben die Leute viele Kinder.

Merita Göldi: Würdet ihr es also unterstützen, dass das Bevölkerungswachstum kontrolliert bzw. eingeschränkt wird? Fliesst dieses Thema in eure Projekte ein?

George Bagamuhunda: Da es in Uganda keine staatlichen Sozialleistungen oder Altersrenten gibt, braucht man Kinder, die für einen sorgen, wenn man alt und schwach ist. Da die Kindersterblichkeit hoch ist, sichern sich die Familien durch mehrere Kinder ab. Wir reden jedoch in der Kirche und in den Projekten über das Thema Familienplanung. Wir erklären es folgendermassen: „Ihr müsst euch überlegen, wie gross eure Familie sein kann, damit ihr sie gut ernähren und unterhalten könnt. Besser eine kleinere Familie, der es gut geht, in der die Kinder gesund sind, zur Schule gehen und Perspektiven für die Zukunft haben, als eine grosse Familie, die verwahrlost und perspektivenlos ist.“ In Uganda steht eine Volkszählung bevor, die dem Staat hoffentlich zeigen wird, wie sehr die Bevölkerung gewachsen ist. Man geht nämlich davon aus, dass Uganda das dritthöchste Bevölkerungswachstum der Welt hat. Anderseits denke ich, dass Uganda die Ressourcen nicht hat, um von staatlicher Seite her etwas zu verändern. Gegenwärtig wird zwar versucht, in Uganda Öl zu finden. Das könnte Geld bringen, es käme jedoch sehr drauf an, wofür dieses Geld eingesetzt würde …

Merita Göldi: Könnt ihr zum Schluss noch ein Beispiel geben, wie der Zugang zu sauberem Wasser, Wissen über Hygiene etc. konkret das Leben einer Familie verändert?

Reuben Byomuhangi: Eine Frau in einem Bergdorf muss viel Zeit aufwenden für die Beschaffung von Wasser, da die einzige Quelle weit ausserhalb des Dorfes liegt. Durch die neu errichtete Wasserversorgung im Dorf spart sie diese Zeit ein und ihr Alltag wird erleichtert. Sie beginnt, zum Unterhalt der Familie beizutragen, indem sie ihr erworbenes Wissen z. B. im Bereich Hygiene in anderen Dörfern weitergibt und dafür bezahlt wird. Sie hat auch mehr Zeit und Energie, die Kinder bei den Hausaufgaben zu unterstützen, die Felder zu pflegen, Neues zu lernen und auszuprobieren …

Vielen Dank für das Interview!